Ärztliche Sprechstunden online - Anwendungsgebiete von medizinischem Cannabis
Veranstaltungsreihe des Cannabis Social Clubs 2021
Praktische Nutzung der krebshemmenden
Eigenschaften von Cannabinoiden
Dr. Franjo Grotenhermen
Allgemeinmediziner, Betreiber einer privatärztlichen Praxis, Mitbegründer und Geschäftsführer der IACM, Autor mehrerer Bücher zum Thema medizinisches Cannabis (D)
Was ist Krebs? Welches sind die Symptome? Wie sehen die klassischen Behandlungsmethoden aus, was können sich Patient*innen von einer Behandlung mit Cannabis erwarten und wie kommen Patient*innen zu einer Verschreibung von medizinischem Cannabis?
Mit diesen und weiteren Fragen haben sich Expert*innen und medizinisches Fachpersonal auseinandergesetzt, um sie an einem Themenabend mit Interessierten zu besprechen. Die Ergebnisse der medizinischen Sprechstunde können Sie hier nachlesen, ebenso kann die Videoaufzeichnung der gesamten Veranstaltung angesehen werden. Das nebenstehende Infoblatt kann bei Bedarf auch heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Krebs
Krebs bezeichnet in der Medizin die unkontrollierte Vermehrung und das wuchernde Wachstum von Zellen, d.h. eine bösartige Gewebeneubildung (maligne Neoplasie) bzw. einen malignen (bösartigen) Tumor (Krebsgeschwulst).
Bösartig bedeutet, dass neben der Zellwucherung auch Absiedelung (Metastasierung) und Invasion in gesundes Gewebe stattfindet.
Nur 5-10 % der Krebserkrankungen sind auf genetische Ursachen zurückzuführen. Die restlichen 90-95 % können auf Umweltfaktoren zurückgeführt werden, wobei jedoch häufig eine Kombination mehrerer Ursachen vorliegt.
Klassische Behandlung
Aktuelle Behandlungsmethoden sind die chirurgische Entfernung des Tumors und Therapien mit dem Ziel, einen Wachstumsstopp oder eine Rückbildung des Tumors zu erzielen.
Dazu zählen Strahlentherapie, Medikamentenbehandlung (mit Zytostatika = Chemotherapie), Antihormontherapie, Krebsimmuntherapie sowie die Elektrochemotherapie.
All diese Behandlungsmethoden haben auch unerwünschte Nebenwirkungen, die manchmal sogar schlimmer sein können als die Krankheit selbst. Die vollständige Beseitigung des Tumors und seiner Metastasen kann außerdem nicht garantiert werden.
Behandlung mit Cannabis
Man muss zwischen der symptomatischen Therapie von Appetitlosigkeit, Übelkeit, Schmerzen und Depressionen einerseits und krebshemmenden Eigenschaften von Cannabinoiden andererseits differenzieren. Die palliative Therapie von Krebserkrankungen mit cannabisbasierten Medikamenten ist symptomatisch und aufgrund der klinischen Datenlage weitgehend akzeptiert.
Anders jedoch sieht es mit dem Stellenwert von Cannabis zur Krebshemmung aus. Die Behandlung mit Cannabis und seinen Wirkstoffen ist grundsätzlich eine mögliche komplementäre Option in der Krebstherapie. Wir wissen aus mehr als 100 tierexperimentellen Studien mit verschiedenen Cannabinoiden bei einer ganzen Reihe von Krebserkrankungen, dass Cannabinoide durch verschiedene Mechanismen krebshemmende Eigenschaften aufweisen. Im Labor zeigen sich insbesondere eine Hemmung des Krebswachstums, der Metastasierung, der Blutgefäßneubildung im Krebs, der Reduzierung von Resistenzbildung gegen bestimmte Chemotherapeutika sowie immunmodulatorische Effekte.
Alle Tierversuche bei unterschiedlichen Krebsarten, inklusive Brustkrebs und Lungenkrebs, ergaben, dass THC, CBD, CBG und viele synthetische Cannabinoide krebshemmende Eigenschaften aufweisen. Es gab allerdings drei Ausnahmen: Diese betreffen zwei Brustkrebs-Modelle mit Mäusen und ein Lungenkrebs-Modell, in denen THC das Wachstum der Tumore förderte.
Während für THC schmerzlindernde, appetitsteigernde und muskelentspannende Eigenschaften im Vordergrund stehen, wirkt CBD vor allem angstlösend und entzündungshemmend. THC und CBD hemmen das Tumorwachstum. Eine Kombination von THC und CBD erwies sich in den bisher durchgeführten experimentellen Untersuchungen wirksamer als jedes der beiden Cannabinoide für sich allein. Es ist bisher aber nicht bekannt, wie das optimale Verhältnis von THC zu CBD aussehen sollte. Es gibt Hinweise, dass das Verhältnis bei verschiedenen Krebserkrankungen unterschiedlich sein könnte.
Cannabis kann Symptome einer Krebserkrankung und die Nebenwirkungen einer Tumortherapie lindern. Es wird eingesetzt zur Reduzierung von Schmerzen und Übelkeit sowie zur Verbesserung von Appetit und Schlaf. Vor allem in der Palliativbetreuung von Krebspatient*innen kann der Einsatz von medizinischem Cannabis zu einer erheblichen Steigerung der Lebensqualität beitragen.
Da die krebshemmenden Eigenschaften von Cannabis im Allgemeinen nur bei sehr hohen Dosierungen einsetzen, können akute Nebenwirkungen auftreten. Diese betreffen vor allem die Psyche und die psychomotorische Leistungsfähigkeit, sowie das Herz-Kreislauf-System. Sie äußern sich durch psychische Verwirrtheit, Müdigkeit, Schwindelgefühl, Blutdruckabfall, Herzrasen und Mundtrockenheit. Bei regelmäßiger Einnahme tritt meist eine Gewöhnung ein.
Bei einer Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten ist es wichtig, mit kleinen Mengen zu beginnen und die Dosis dann ganz langsam zu steigern, damit keine starken Nebenwirkungen auftreten. Bei jedem Patienten und jeder Patientin muss die individuell wirksame und verträgliche Dosierung ermittelt werden.
Zugang zu medizinischem Cannabis
Die Verschreibung von medizinischem Cannabis können alle Ärzt*innen vornehmen, die über Erfahrung und Fachwissen in diesem Bereich verfügen.
Was den rein verschreibungspflichtigen Aspekt betrifft, so kann jeder Arzt und jede Ärztin Cannabis auf einem "weißen" Rezept verschreiben.
Verschreibung von medizinischem Cannabis gegen onkologische Schmerzen oder bei Appetitlosigkeit und Erbrechen von Patient*innen in Chemo- oder Radiotherapie gehören zu den im Ministerialdekret vom 9. November 2015 angeführten Pathologien, für welche die kostenlose Abgabe durch den Gesundheitsdienst vorgesehen ist.
Cannabis Social Club - Bozen
Dantestr. 2, Bozen
Mo - Fr 09:00 - 17:00 Uhr
Tel.: +39 0471 1817167
Aufzeichnung ansehen
Die Abendveranstaltung zu diesem Thema fand online am 02.11.2021 statt und kann hier nochmal angesehen werden.
An der Diskussion nahmen teil:
- Dr. Franjo Grotenhermen, Experte
- Dr. Herbert Heidegger, Primar der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe, Sanitätskoordinator Krankenhaus Meran und Präsident des Landesethikkomitees
- Dr. Aldo Leonardo Berti, Hausarzt, Präsident des Cannabis Social Club, Bozen
- Dr. Roberto Pittini, Facharzt für Anästhesie und Schmerztherapie, Meran
- Dr. Elio Dellantonio, Ex-Primar SERD, Bozen
- Peter Grünfelder, Koordinator Cannabis Social Club, Bozen
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Rechtlicher Hinweis
Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen sind nicht als Alternative oder Ersatz für die Anweisungen oder Hinweise von Ärzten oder anderen Fachleuten aus dem medizinischen und pharmazeutischen Bereich gedacht, sondern dienen ausschließlich dem Zweck eines vollständigeren Allgemeinwissens. Dieses Dokument soll in keiner Weise zu verbotenem Verhalten ermutigen. Die Ersteller dieses Dokuments, die Patientenvereinigung Cannabis Social Club Bolzano, übernehmen keine Verantwortung für einen eventuellen Missbrauch der hierin enthaltenen Informationen.